Masterstudiengang "Drug Regulatory Affairs"

Master-Thesis

Erörterung der Erstattungsfähigkeit von Flüssigbiopsie-Verfahren in Deutschland

Dr. Stefan Werner (Abschlußjahr: 2018)

Zusammenfassung
Sprache: Deutsch
Die neuentwickelten Flüssigbiopsie-Verfahren der Krebsdiagnostik gelten als Meilenstein der modernen Krebsforschung. Diese Diagnoseverfahren haben den großen Vorteil, dass sie schnell und nahezu ohne Risiko für den Patienten durchzuführen sind. Insbesondere bieten sich diese Verfahren als therapiebegleitende Diagnostika im Rahmen einer personalisierten Krebstherapie an,  um die Wirksamkeit der gewählten Therapieform zu validieren, indem Blutproben parallel zur stattfindenden Therapie analysiert werden. Derzeitig befindet sich der überwiegende Teil dieser Analyseverfahren noch in der Entwicklung. Daher sind diese IVDs noch störanfällig und größtenteils noch nicht ausreichend validiert worden. Nichtsdestotrotz sind bereits einige Flüssigbiopsie-Verfahren, insbesondere Blut-basierte Analysen der T790M-Mutation im EGFR-Gen verschiedener Herstellern oder aber Verfahren zur Detektion von Tumorzellen in der Blutzirkulation innerhalb explorativer Studien klinisch validiert und verkehrsfähig.
Im  Gegensatz  zu  den  Arzneimitteln sind IVDs jedoch nicht mit einer erteilten Zulassung durch die GKV erstattungsfähig, sondern die Erstattungsfähigkeit muss in einem gesonderten Verfahren erteilt werden. Im SGB V sind die Anforderungen gesetzlich geregelt, die Produkte und Verfahren erfüllen müssen, wenn sie von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden sollen. Dies sind insbesondere die Prinzipien der Notwendigkeit, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit. Die Entscheidung, welche Leistungen die gesetzlichen Krankenkassen ihren in den Leistungskatalog aufgenommen oder daraus ausgeschlossen werden trifft der G-BA. Abrechnungsfähige Leistungen werden in den EBM-Katalog aufgenommen.
Derzeitig besitzt keines der Flüssigbiopsie-Verfahren der neuen Generation eine EBM-Nummer, so dass die GKV diese Verfahren nur in Ausnahmefällen erstattet werden. Dies trifft beispielweise zu, wenn durch die ausbleibende Anwendung dieser Verfahren die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit eingeschränkt werden, die neuen Verfahren im Rahmen einer klinischen Versorgung erfolgen oder wenn eine fehlende EBM-Nummer darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem G-BA trotz der formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Allerdings hat der G-BA bisher nicht über die Erstattungsfähigkeit eines dieser Verfahren entschieden, was wohl am Zögern der Hersteller aufgrund dem Fehlen aussagekräftiger, Studien zum klinischen Nutzen dieser Verfahren liegt. Zum anderen bleiben aber im Rahmen der Neuregelungen des AMVSGs, welches zum ersten Mal die Erteilung der Erstattungsfähig von Begleitdiagnostika zeitgleich mit dem Beschluss über die Nutzenbewertung des Arzneimittels vorsieht, Flüssigbiopsie-Verfahren für eine Erstattung ausgeschlossen.
Es lässt sich zusammenfassen, dass die Flüssigbiopsie-Verfahren vielversprechende Analyseverfahren darstellen, die sich momentan noch in der Frühphase der klinischen Einführung und Anwendungen in der personalisierten Krebsmedizin befinden. Auf dem Markt erhältliche Verfahren werden derzeitig nicht von den GKV erstattet, was insbesondere auf ihre mangelnde klinische Validierung zurückzuführen ist. Nichtsdestotrotz können diese Verfahren bereits unwirksame Therapieverfahren erkennen und haben somit das Potential Kosten für unwirksame Krebstherapien einzusparen. Der Gesetzgeber sollte darauf achten, dass durch einen geeigneten regulatorischen Rahmen grundsätzlich eine Kostenerstattung dieser innovativen Verfahren durch die GKV als Therapiebegleitende IVDs ermöglicht wird, da dies zu einem effizienteren Einsatz zielgerichteter Therapieverfahren und somit zu einer besseren Patientenversorgung beitragen kann. Obgleich dies natürlich eine bessere klinische Validierung der Flüssigbiopsie-Verfahren voraussetzt.
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