Masterstudiengang "Drug Regulatory Affairs"

Master-Thesis

Entwicklung von "skinny labelling": eine Betrachtung aus der regulatorischen und Patentperspektive ***

Dr. Nico Steiert (Abschlußjahr: 2022)

Zusammenfassung
Sprache: Deutsch
In der vorliegenden Masterarbeit wird die Entwicklung von "skinny labelling" bei generischen Zulassungen aus der regulatorischen und Patentperspektive betrachtet, jeweils mit Fokus auf der Wirksamkeit für Deutschland.
Es zeigt sich, dass patentbedingte Änderungen von Produktinformationen zu Generika bei Nutzung des MRP/DCP-Verfahrens einerseits und des zentralen Verfahrens andererseits einer unterschiedlichen regulatorischen Prozedur folgen. Dies ergibt sich daraus, dass im zentralen Verfahren eine einzige Zulassung für die gesamte EU erlangt wird, während das MRP/DCP-Verfahren letztlich auf dem nationalen Weg in nationale Zulassungen in verschiedenen EU-Staaten mündet.
Die Anforderungen, die dabei an die Lesbarkeit solcher patentbedingten Änderungen gestellt werden, entsprechen jenen an die Lesbarkeit der Produktinformationen als solche, wobei sie jeweils insbesondere die sichere und wirksame Anwendung der entsprechenden Arzneimittel sicherstellen sollen. In diesem Zusammenhang werden Vorschläge offenbart, wie Gebrauchsinformationen durch eine Verbesserung des Layouts, Inhalts oder eingesetzten Benutzertests für den Patienten lesbarer gemacht werden können. Im Fall von patentbedingten Änderungen muss dem generischen Dossier insbesondere aus Gründen der Arzneimittelsicherheit neben dem Verweis auf die bereits zugelassene Gebrauchsinformation des Referenzarzneimittels ein überbrückender Bericht hinzugefügt werden. Der Bericht muss gegebenenfalls Ergebnisse einer überbrückenden Studie wie insbe-sondere eines ergänzenden Benutzertests enthalten.
Die aktuellen Fallbeispiele dieser Arbeit belegen, dass sich patentseitig erforderliche Änderungen häufig im Spannungsfeld mit regulatorischen Erfordernissen befinden. So sind patentbedingte "carve-outs" von Informationen aus Fach- bzw. Gebrauchsinformationen gemäß dem Dokument "CMDh Questions & Answers on Usage Patents" nur insoweit zulässig, als dass sie der sicheren Anwendung des jeweiligen Generikums nicht entgegenstehen. Dementsprechend drohen den Generikaunternehmen verzögerte Markteintritte, wenn typischerweise enge Patente sich auf die Sicherheit des jeweiligen Arzneimittels beziehen und ein "carve-out" somit nicht möglich ist. Hier könnte der Vorschlag Abhilfe schaffen, wonach die sicherheitsrelevanten Informationen einer generischen Fach- bzw. Gebrauchsinformation keine Patentverletzung begründen bzw. beweisen dürfen.
Um die Bandbreite an möglichen carve-outs zu erweitern, ist zudem der Vorschlag zu begrüßen, zum Ausschluss von patentierten Indikationen, Dosierungen usw. künftig mehr Flexibilität beim Hinzufügen von geeigneten Informationen zu der Fach- bzw. Gebrauchsinformation zu ermöglichen, was patentbedingte Modifikationen von Indikationen einschließt. Dadurch könnten Generikaunternehmen insbesondere patentverletzenden in-label-use vermeiden.
Im Fall eines - typischerweise durch den in Deutschland gesetzlich verankerten Substitutionsmechanismus geförderten - cross-label-use (bzw. analog eines in-label-use oder off-label-use) liegt zudem gemäß der Entscheidung "Fulvestrant" des OLG Düsseldorf, in Fortführung bzw. Weiterentwicklung der Rechtsprechung, unter der Voraussetzung, "dass es in hinreichendem Umfang zu einer patentgerechten Verwendung gekommen ist, und dass dem Generikaunternehmen dieser Sachverhalt […] nicht verborgen geblieben sein kann." eine herrichtungsfreie Patentverletzung vor, gegen die der betroffene Originator vorgehen kann. Allerdings lässt sich der Umfang einer patentgerechten Verwendung im Allgemeinen schwer beweisen; zudem besteht hinsichtlich des "hinreichenden" Umfangs mangels richterlicher Klärung Rechtsunsicherheit.
Generikaunternehmen können die Risiken einer Patentverletzung wegen cross-label-use bereits heute durch Maßnahmen wie "Gefahrenhinweise" in der Fach- bzw. Gebrauchsinformation verringern. Solche Risiken könnten zudem vollständig ausgeräumt werden, wenn künftig der verschreibende Arzt die Indikation auf dem Rezept vermerken müsste und gleichzeitig die Substitution in der Apotheke nur noch gegen solche Arzneimittel erfolgen dürfte, in deren Fachinformation die besagte Indikation angegeben ist. Dies hätte zugleich den Vorteil, dass ausschließlich die Originatoren die Umsätze erzielen dürften, die auf ihre entsprechenden Innovationen zurückzuführen sind, und würde somit zum Ausgleich der Interessen zwischen Originatoren und Generikaunternehmen beitragen.
Bei skinny labellings ist darüber hinaus zu beachten, dass der BGH in der Entscheidung "Pemetrexed" jüngst seine Rechtsprechung zur Äquivalenz weiterentwickelt und damit die zuletzt restriktive Rechtsprechung der Instanzgerichte korrigiert hat.
Vor dem Hintergrund der bedeutenden Rechtsprechung der letzten Jahre und der diversen Verbesserungsvorschläge auf dem Gebiet des skinny labellings ist jedenfalls auch in Zukunft von einer weiterhin dynamischen Entwicklung auszugehen.
Seiten: 88
Annexes: 2, Seiten: 11

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